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      2. Wiener Verdauungstag
Medikamente bringen den Darm mehr aus dem Gleichgewicht als bisher angenommen
 
       
 
 
 

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Die Bedeutung des Darmmikrobioms, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln, gehört gegenwärtig zu den „heißen Themen“ der Forschung. Denn die Zusammensetzung der Bakterienflora unseres Verdauungstraktes hat massiven Einfluss auf unsere Gesundheit. Aktuelle Forschungen zeigen, dass die Einnahme von Medikamenten sich stärker auf das fragile Gleichgewicht des Darmmikrobioms auswirkt als angenommen. Umgekehrt beeinflussen auch die Mikroorganismen in unserem Darm die Wirksamkeit von Medikamenten. Über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Zusammenspiel informiert die Darmspezialistin Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Vanessa Stadlbauer-Köllner in einem Vortrag beim Wiener Verdauungstag am 5. April im Wiener Rathaus. Eintritt frei!

Antibiotika retten Leben, aber…

Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Vanessa Stadlbauer-Köllner
Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Vanessa Stadlbauer-Köllner (Foto: Christian Jungwirth)

Wer Antibiotika eingenommen hat, kennt das: In 5 bis 25% der Fälle kommt es während der Behandlung mit diesen effektiven und oft lebensrettenden Medikamenten zum Auftreten von Durchfällen. Der Grund: Antibiotika unterbinden die Vermehrung von Bakterien, dabei kann es auch den nützlichen Helfern unserer Darmflora „an den Kragen“ gehen: Die Artenvielfalt wird verringert und damit das Gleichgewicht des Mikrobioms gestört. So finden krankheitserregende Keime bessere Lebensbedingungen vor und können sich vermehren. Die deutlich merkbare Folge für den Patienten: der Run aufs stille Örtchen.

Neue Untersuchungen zeigen, dass rund ein Viertel aller Arzneien Einfluss auf Wachstum und Funktion der Darmbakterien hat. „Medikamente zählen neben der Ernährung zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf das Darmmikrobiom“, erläutert Stadlbauer-Köllner von der klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Graz. „Bei Antibiotika weiß man schon lange, dass sie die Artenvielfalt des Darmmikrobioms verringern. Aber es werden zunehmend mehr Medikamente identifiziert, die das fein austarierte Gleichgewicht des Darmmikrobioms aus der Balance bringen. Und dies mit mitunter weitreichenden Folgen.“

Um zu erkennen, wie weitreichend diese Auswirkungen sein können, muss man verstehen, welche Funktionen die mikroskopisch kleinen „Helfer“ erfüllen.

Kleine Helfer mit großer Wirkung

Wiener Verdauungstag (Foto: Springer Verlag, Karin Husslik)
Wiener Verdauungstag (Foto: Springer Verlag, Karin Husslik)

Unser Verdauungstrakt beinhaltet mehr Bakterien als unser Körper Zellen hat. Die rund 100 Billionen Bakterien, die wir mit uns herumtragen, wiegen rund zwei Kilogramm. Diese enorme Menge, die unseren Verdauungstrakt vom Mund bis zumAfter besiedelt, wirkt auf vielfältige Art auf unseren Körper und beeinflusst die Gesundheit. So nimmt das Mikrobiom eine wichtige Funktion der Barrierefunktion des Darms ein, der für Nährstoffe durchlässig sein muss. Damit hierbei aber keine Schadstoffe oder Krankheitserreger, z.B. mit der Nahrung in den Körper gelangen können, hat der Darm Abwehrbarrieren errichtet. Neben seiner Wand als mechanische Barriere und verschiedenen Abwehrzellen sind auch die Mikroorganismen an dieser Verteidigung beteiligt. Einerseits schützen sie vor „fremden” krankmachenden Bakterien, Pilzen und Viren, andererseits sind sie auch für die Entwicklung des Immunsystems und die Ausformung (Morphologie) der Darmschleimhaut entscheidend. Stadlbauer-Köllner: „Man kann sich also vorstellen, dass ein ‚Angriff‘ auf das Zusammenspiel dieses Systems weitreichende Folgen haben kann.“

Medikamente können die „Harmonie“ stören

Arzneimittel beeinflussen Wachstum und Funktion der Bakterien des Verdauungstraktes und infolge die Darmbarriere, die Muskelkontraktionen des Darms (Darmmotilität) sowie das Immunsystem des Darms.

Protonenpumpeninhibitoren (kurz: PPI) zum Beispiel scheinen bei langfristiger Verabreichung das Mikrobiom direkt und indirekt durcheinanderzubringen. Sie werden häufig gegen Sodbrennen und Co aber auch als „Magenschutz“ verschrieben, wenn etwa Schmerzmittel die empfindliche Magen- und Darmschleimhaut reizen. Darmspezialistin Stadlbauer-Köllner: „Die Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren führt zu einer Verminderung der Magensäure, das ist der Sinn dieser Substanzen. Normalerweise tötet die Magensäure aber eindringende Bakterien ab. Durch die Veränderung des pH-Wertes stellt der Magen für viele Krankheitserreger keine Barriere mehr dar, sie können sich besser vermehren und nehmen überhand. Mediziner* sprechen von verminderter Kolonisationsresistenz. Andere, ‚gute‘ Mikroorgansimen werden zurückgedrängt, das Gleichgewicht des Mikrobioms wird nachhaltig gestört. Auch Keime, die normalerweise nur im Mundbereich vorkommen, können nun tief in den Darm eindringen und sich dort ausbreiten.“

Dadurch kann es zur Verschleppung von Bakterien aus dem Darm in andere Körperbereiche kommen. „Darminfektionen, selbst Lungenentzündungen und Pilzinfektionen können folgen. Besonders gefürchtet ist, wenn es zu einer Überwucherung mit Bakterienarten wie Clostridium difficile kommt, denn diese können Durchfall-Erkrankungen verursachen, die mitunter lebensbedrohend sind.“

Neben Antibiotika und PPI zählen auch Cholesterin- und Blutdrucksenker sowie Antidepressiva zu den das Mikrobiom am stärksten verändernden Substanzen. „Ob dieser Einfluss in allen Fällen negativ ist oder vielleicht die Wirksamkeit mancher Medikamente maßgeblich durch die Effekte auf das Mikrobiom mitbestimmt wird, muss noch im Detail untersucht werden“, sagt die Gastroenterologin.

Was tun?

All diese Medikamente können ja nicht einfach weggelassen werden. Gibt es Strategien, um das Darmmikrobiom vor chemischen Angriffen zu schützen? Die Datenlage dazu ist noch sehr heterogen und es sind noch viele klinische Studien notwendig. Einzig die Prophylaxe der durch Antibiotika verursachten Durchfälle mittels Probiotika ist einigermaßen gut untersucht. Eine Metaanalyse der renommierten Cochrane-Gruppe hat letztes Jahr gezeigt, dass Probiotika wirksam sind, um einer Infektion mit Clostridium difficile während der Antibiotikaeinnahme vorzubeugen. Man vermutet, dass Probiotika möglicherweise auch gegen schädigende Auswirkungen von PPI auf das Darmmikrobiom helfen. Dazu werden Studien durchgeführt.

Probiotika sind „gute Mikroorganismen“ wie Bifidobakterien und Lactobazillen (Milchsäurebakterien). Sie sind in Lebensmitteln wie Naturjoghurt, Topfen, Kefir, Sauerkraut, Kimchi (eingelegter Chinakohl), Apfelessig oder Hefe enthalten. Allerdings müsste man Unmengen dieser Nahrungsmittel zu sich nehmen, um während einer Medikamenteneinnahme eine positive Wirkung zu erzielen.

Stadlbauer-Köllner: „Der Konsum dieser Lebensmittel ist beim Gesunden zur Unterstützung der Darmflora zu empfehlen, da sie zu einer vielfältigen Ernährung und damit zu einer gesunden Darmflora beitragen. Während der Einnahme von Antibiotika wird das aber nicht ausreichen. Hier sollte man auf hochkonzentrierte, wissenschaftlich geprüfte Probiotika aus der Apotheke zurückgreifen. Welches Probiotikum am besten wirkt, ist allerdings noch unklar. Analysen zeigen aber, dass es sinnvoll ist, ein Präparat auszuwählen, das aus mehreren Stämmen mit einer hohen Keimzahl besteht. Wichtig ist auch, dass die Einnahme 2 bis 3 Stunden zeitversetzt zur Antibiotikagabe erfolgt. Sonst hebt das Antibiotikum die Wirkung des Probiotikums auf, weil die probiotischen Keime so wie die Krankheitserreger abgetötet werden.“

Ein Probiotikum zur Prophylaxe von Antibiotika-assoziierten Durchfällen muss am besten ab dem Start der Therapie eingenommen werden, aber auf jeden Fall innerhalb von 2 Tagen danach. Stadlbauer-Köllner: „Damit kann das Risiko für eine Infektion mit Clostridium difficile um 60% reduziert werden. Nach einer Antibiotikaeinnahme ist es zu spät, das hat eine aktuelle Arbeit aus Israel gezeigt: Wenn man erst danach eine Prophylaxe mit Probiotika beginnt, wird die Regeneration des Darmmikrobioms nicht beschleunigt, sondern möglicherweise sogar verzögert.“

Freitag, 5. April 2019, 13.00 Uhr, Festsaal Rathaus Wien: „Darmflora und Medikamente – verträgt sich das?“

Im Rahmen des 2. Wiener Verdauungstages hält die Darmspezialistin Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Vanessa Stadlbauer-Köllner bei freiem Eintritt einen Vortrag zu diesem Thema und beantwortet Fragen aus dem Publikum.

2. Wiener Verdauungstag am 5. April: Vorträge, Diskussionen, Tipps und vieles mehr

Der Info-Tag steht unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) und beleuchtet das Thema Verdauung in all seinen Facetten: Von 10:00 bis 18:00 Uhr finden im Festsaal des Wiener Rathauses Experten-Vorträge zu verschiedensten Aspekten dieses Themas statt. Weiters können die Besucher Gesundheitsstationen und Info-Stände besuchen, an Gewinnspielen teilnehmen sowie persönliche Gespräche mit Expertinnen und Experten führen und erhalten Tipps, Rat und Hilfe für ihr persönliches Anliegen. Durch den Tag führt ORF-Wetter-Expertin Mag.a Dr.in Christa Kummer. Der Eintritt ist frei! Detailinfos und Programm unter: verdauungstag.at

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet. Alle Bezeichnungen sowohl für Frauen als auch für Männer.

Weitere Infos: www.verdauungstag.at

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Medikamente beeinflussen Darmmikrobiom stärker als gedacht
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