Wien, 03. März 2020 - Jeder hat sie, keiner will sie: Schmerzen! Ob schneidend, brennend, klopfend, dumpf, spitz, bohrend, stechend oder krampfartig, ob im Kopf, in der Wirbelsäule, in den Gliedmaßen oder im Leib: Schmerzen sind Teil unseres Lebens und erfüllen prinzipiell eine wichtige Warnfunktion. Wenn sie aber immer wiederkehren, chronisch werden, ist der Patient gefangen in einer Schmerzspirale: Der Schmerz bestimmt das Leben, kann zu Depressionen führen und die Betroffenen in den sozialen Rückzug treiben. Cannabinoide, so der Orthopäde Dr. Martin Pinsger, Leiter des Schmerzkompetenzzentrums in Bad Vöslau, können diese leidvolle Schmerzspirale unterbrechen und Ruhe und Entspannung bringen. Der Schmerz wird dabei nicht unterdrückt, sondern integriert. Chronischer Schmerz wird „verlernt“.
Im Rahmen des 11. Wiener Schmerztages im Festsaal des Wiener Rathauses am 27. März hält Dr. Pinsger um 11.00 Uhr einen Vortrag mit dem Titel: „Koevolution des Cannabinoiden Systems: Warum der Mensch Cannabinoide nötig hat“.
„Chili-Rezeptoren“ garantierten evolutionären Vorsprung
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Dr. Martin Pinsger, Leiter des Schmerz-
kompetenzzentrums in Bad Vöslau |
Bei seinem Vortrag nimmt Pinsger sein Publikum auf eine spannende Reise in die Vergangenheit mit: „Seit rund 3,6 Milliarden Jahren gibt es Einzeller, Bakterien und Algen. Als vor ca. 1,6 Milliarden Jahren die ersten Rezeptoren entstanden, die Hitze, Druck, Säure und Schärfe signalisieren konnten, war es dank dieses ersten ‚Schmerzempfindens‘ möglich, Gefahr zu erkennen und zu umgehen. Für die damaligen Einzeller ein riesiger evolutionärer Vorsprung im Überlebenskampf!“ Es vergingen weitere 800 Millionen Jahre, bis die nächste Kategorie von Rezeptoren entstehen konnte. Pinsger: „Auch das sogenannte Cannabinoide System scheint seine Ursprünge in dieser Zeit zu haben und mischt heute als Teil des Nervensystems in verschiedenen Körperprozessen mit. Körpereigene Cannabinoide greifen immer sanft modulierend in die Zellkommunikation ein. Ihre Aufgabe ist nicht das ‚beinharte‘ Unterdrücken von Schmerz, sondern die sinnvolle Integration von Schmerz in den Gesamtorganismus. Schmerz soll als wichtiges Körpersignal wahrgenommen werden, aber nicht die Homöostase, also das Gleichgewicht des Organismus, gefährden.“
Chronischer Schmerz: Verlernen erwünscht
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Hanf |
Interessanterweise steht das – körpereigene – Endocannabinoidsystem in enger Verbindung mit konditionierten Reaktionen, also vereinfacht gesagt, mit dem Lernen. Pinsger: „Kein Wunder also, dass bei Menschen, die Cannabis ‚kiffen‘, die Konzentration sinkt und sie beim Lernen schwächeln.“ Bei Schmerzpatienten* aber, die vielleicht schon über Jahre hindurch chronischem Schmerz und daraus resultierendem Stress ausgeliefert sind, ist genau diese Wirkung von Cannabis erwünscht, erläutert Pinsger: „Da soll ganz bewusst desynchronisiert und verlernt werden. Patienten empfinden dann, wenn der Schmerz nicht mehr das Tageshauptthema ist, ihre Lebenssituation als viel angenehmer und annehmbarer. Aber die Inhalation von Cannabis ist hier weder gemeint noch sinnvoll. Hier geht es um die Gabe von medizinischem Cannabis als Kapsel oder Tropfen.“
Wunderdroge Cannabis?
Synthetisch hergestellte oder aus der Hanfpflanze gewonnene Cannabinoide werden in ausgewählten Indikationen, wie etwa bei chronischem Schmerz, zunehmend in der Schmerzmedizin eingesetzt. „Doch nicht nur eine direkte schmerzlindernde Wirkung, sondern auch die Beeinflussung von Schlaf und Muskelentspannung scheinen für die positiven Entwicklungen unter einer Cannabinoid-Therapie verantwortlich zu sein. Daneben wirken Cannabinoide auch appetitanregend und immunmodulierend, und wir erlangen laufend neue Erkenntnisse und Einsichten hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Cannabinnoiden“, führt Pinsger aus.
Bei seinem Vortrag spannt Pinsger den Bogen weit: Warum braucht unser Körper Cannabinoide? Welche Rolle spielen sie bei der Salutogenese, also bei der „Entstehung von Gesundheit“? Warum sind Cannabinoide für Relearning und innere Harmonie so wichtig? Welchen Einfluss haben sie auf unser Wohlbefinden, unsere Regenerationsfähigkeit, unsere Kommunikation und sogar auf unsere Beziehungen?
Pinsger: „Cannabinoide und ihr Einsatz öffnen den Zugang für ein ganzheitliches Verständnis zum Thema Schmerz. Und damit eine würdevolle Schmerztherapie gelingen kann, ist das Verständnis unseres Endocannabinoiden Systems eine unabdingbare Voraussetzung.“
Vortrag am „11. Wiener Schmerztag“ im Wiener Rathaus
Am 27. März 2020 steht das Wiener Rathaus ganz im Zeichen der „Volkskrankheit Schmerz“. In der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr stehen im Rahmen dieses interaktiven Infotages – bei freiem Eintritt – Vorträge, Gesundheitsstationen und persönliche Beratungsgespräche auf dem Programm. Unter dem Motto: „Schmerz – vorbeugen, erkennen, behandeln“ informieren namhafte Experten* über Schmerzprävention, die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten sowie die Optionen der Rehabilitation. Die Themenpalette reicht dabei von neuen Therapieansätzen bis hin zu komplementärmedizinischen Methoden. Nach jedem Vortrag beantworten die Experten Fragen, gehen auf die persönlichen Anliegen der Besucher ein und geben wertvolle Tipps, wie man den jeweiligen Schmerz in den Griff bekommt. Durch das Programm führt ORF-Moderatorin Mari Lang. (Weitere Infos: www.schmerztag.at)
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet. Alle Bezeichnungen gelten sowohl für Frauen als auch für Männer.
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