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      Leben mit Schizophrenie  
       
 
 
 

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Ein Lundbeck Presseforum anlässlich des Internationalen Tages der seelischen Gesundheit 2014

Am 10. Oktober wird der „Internationale Tag der seelischen Gesundheit“ begangen, der heuer dem Thema Schizophrenie gewidmet ist. Dies nahm das Lundbeck Presseforum Psychiatrie zum Anlass, einen Überblick über die verschiedenen Aspekte dieser Erkrankung, den aktuellen Wissenstand und die Implikationen des Krankheitsbildes der Schizophrenie zu geben, unter der meist nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Angehörigen in besonderem Maß leiden.

Schizophrenie kommt in allen Kulturkreisen der Welt vor. Es gibt keine Geschlechtspräferenz und der Krankheitsausbruch findet sich üblicherweise im Adoleszenz- bzw. jungen Erwachsenenalter. Die Erkrankung ist häufiger als viele glauben: Etwa ein Mensch unter 100 erkrankt irgendwann einmal im Laufe seines Lebens an Schizophrenie.

Schizophrenie – die Fakten

Univ.-Prof. Dr. W. Wolfgang Fleischhacker, Department für Psychiatrie und Psychotherapie der Univ.-Klinik für Biologische Psychiatrie der Medizinischen Universität Innsbruck
Univ.-Prof. Dr. W. Wolfgang Fleischhacker, Department für Psychiatrie und Psychotherapie der Univ.-Klinik für Biologische Psychiatrie der Medizinischen Universität Innsbruck

Schizophrenie ist eine Erkrankung, um die sich viele Mythen ranken. Vorurteile, Unwissen und Missverständnisse führen dazu, dass Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, oft gemieden und stigmatisiert werden. „Das hängt wohl auch damit zusammen, dass sich Menschen, die darunter leiden, während ihrer Krankheitsphasen so stark in ihrem Wahrnehmen, Empfinden und Denken verändern, dass sie auch nahen Angehörigen und guten FreundInnen auf unerklärliche Art und Weise ganz fremd erscheinen. Ganz ähnlich geht es im Übrigen den Betroffenen, denen früher Vertrautes nun unverständlich und zur Bedrohung werden kann“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. W. Wolfgang Fleischhacker, vom Department für Psychiatrie und Psychotherapie der Univ.-Klinik für Biologische Psychiatrie der Medizinischen Universität Innsbruck.

Quälende Symptome
Zu den bekanntesten und häufigsten Symptomen zählen Wahnideen, zum Beispiel im Denken und Handeln von fremden Mächten beeinflusst und gesteuert zu werden oder in telepathischer Weise mit Überirdischen zu kommunizieren, sowie Halluzinationen, vorwiegend im akustischen Bereich. Hier berichten PatientInnen über Stimmen, die über sie sprechen, sie beschimpfen oder ihnen Befehle erteilen. Fleischhacker: „Schizophreniekranke sind aber auch in ihrem Gefühlsleben beeinträchtigt, sie haben Schwierigkeiten, die Emotionen anderer Menschen wahrzunehmen bzw. zu verstehen, und können Motivationsdefizite aufweisen, die ihnen die Anforderungen des täglichen Lebens erschweren und in eine soziale Isolation führen können. Auch klassische Hirnleistungsfunk­tionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit sowie abstraktes oder planendes Denken sind reduziert.“

Auf der Suche nach dem Warum – mögliche Ursachen der Schizophrenie
Die genauen Ursachen der Schizophrenie liegen nach wie vor im Dunkeln, doch man kennt heute viele Faktoren, sowohl aus dem biologischen als auch dem psychosozialen Bereich, die das Risiko, zu erkranken, bestimmen. Fleischhacker: „Aus dem biologischen Bereich sind vornehmlich genetische Belastung und eine Veränderung im Neurotransmitterhaushalt gut belegt.“

Zunehmend klarer wird, dass Menschen, die einerseits genetisch belastet sind und andererseits eine vermehrte Dopaminempfindlichkeit haben sowie unter dem Einfluss von unterschiedlichsten Arten von chronischem Stress stehen, eine Risikogruppe für Schizophrenie darstellen. Dazu zählen z. B. ständige Belastungen in Familie oder Schule, aber auch der regelmäßige Konsum von Suchtmitteln.

Vorurteile und Mythen
Zu den schlimmsten Vorurteilen gegenüber Schizophrenie zählt der Irrglaube, es handle sich um eine im Wesentlichen unbehandelbare Erkrankung, die Menschen anhaltend lebensuntüchtig macht. Dieser Mythos, gepaart mit mangelhafter Kenntnis der Symptome der Erkrankung und Angst vor den Betroffenen, führt dazu, dass viele PatientInnen viel zu spät von einer effektiven Behandlung profitieren können. „Bei frühzeitig einsetzender Therapie gelingt es heute bei zwei Drittel der Schizophreniekranken, die Symptome nachhaltig zu verbessern oder sogar vollständig zum Verschwinden zu bringen“, betonte Fleischhacker.

Therapeutische Möglichkeiten
Die Erkrankung verläuft üblicherweise episodenhaft, kranke und gesunde Lebensabschnitte wechseln ab. Diese Verläufe sind sehr stark von der Behandlung abhängig. Zum Einsatz kommen sowohl Medikamente, sogenannte Antipsychotika, die regulierend in den Dopaminstoffwechsel eingreifen, als auch psychosoziale Therapiemaßnahmen, die in der Lage sind, gesunde Ressourcen der Betroffenen zu (re-)akti­vieren und somit rehabilitativ die soziale Reintegration zu fördern. Antipsychotika sind sowohl in der Akut- als auch in der Langzeittherapie hochwirksam, vor allem, wenn die Erkrankung früh erkannt und behandelt wird, und ermöglichen vielen Betroffenen ein zufriedenes und erfülltes Leben. Etwa 70% der früh behandelten Ersterkrankten erreichen Symptomfreiheit. Zur Aufrechterhaltung dieses Therapieerfolges ist zumeist eine langfristige prophylaktische antipsychotische Therapie vonnöten.

Fleischhacker betonte, dass aufgrund des hochkomplexen Krankheitsbildes eine hochprofessionelle Behandlung erforderlich ist, idealerweise in spezialisierten Therapiezentren, die sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungskonzepte tragen können. Derlei Teams inkludieren neben PsychiaterInnen auch andere Berufsgruppen wie PsychologInnen, diplomiertes Pflegepersonal, SozialarbeiterInnen, Ergo- und PhysiotherapeutInnen. Schizophreniebehandlung erfordert Geduld, vom therapeutischen Team genauso wie von den Betroffenen und deren Angehörigen. Vor allem bei Behandlungsunterbrechungen sind Rückfälle häufig und somit ist Therapiekonstanz ein prognosebestimmender Faktor.

Schizophrenie – die Praxis

„Bereits 1911 sprach Eugen Bleuler nicht von ‚Schizophrenie‘, sondern von ‚Schizophrenien‘; sie ist nicht eine Krankheit, sondern viele. Dabei kommt es zu Veränderungen im Denken, der Wahrnehmung, der Ich-Funktionen, der Affektivität sowie des Antriebs und der Psychomotorik“, erläuterte Prim. Dr. Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP).

Prim. Dr. Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP)
Prim. Dr. Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP)

Stigmatisierung als „zweite Krankheit“
Doch Schizophrenie sei nicht nur „menschliches Schicksal“, sondern auch „soziales Schicksal“, so Psota weiter. Denn Menschen mit Schizophrenie leiden nicht nur unter den Symptomen ihrer Erkrankung, sondern auch unter der gesellschaftlichen Reaktion auf ihre Erkrankung. Menschen mit Schizophrenie gelten als „verrückt“, „unberechenbar“ und „gefährlicher“ als alle anderen. Menschen mit Schizophrenie erfahren nach wie vor Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung und Diskriminierung.

Psota bezeichnete diese Stigmatisierung als „zweite Krankheit“, die nicht nur die Gesundung behindere, sondern meist auch eine frühe Diagnose und Behandlung verhindere. Dies sei besonders bedenklich, da „eine frühe Diagnose und Behandlung, die die Prognose der Erkrankung verbessern, die ‚soziale Abwärtsspirale‘ aufhalten und einen ‚besseren Alltag‘, ein Mehr an Inklusion für die Betroffenen und ihr Umfeld gewährleisten könnte.“

Psychosozialer Versorgungsbedarf nicht gedeckt
Psota kritisierte, dass unsere Gesellschaft dem komplexen psychosozialen Versorgungsbedarf von Schizophrenie-Betroffenen nach wie vor noch nicht ausreichend gerecht wird: „Stolpersteine und Hürden am Weg zur und während der Therapie müssten ausgeräumt werden: eine ‚Drehtürpsychiatrie‘, bei der Patienten nicht nachhaltig betreut werden können, ebenso wie zu wenig oder gar keine Therapie. Denn die Auswirkungen – Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit und Suizidalität – sind dramatisch; nicht nur für jeden Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft.“

Das Leben mit Schizophrenie – der Alltag; die Angehörigenperspektive

Irene Burdich, HPE – Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter
Irene Burdich, HPE – Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter

„Durch die Erkrankung wird das ganze Leben gekippt – mit schlimmen Folgen“, so Irene Burdich von HPE – Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter, die von ihren Erfahrungen im Rahmen ihrer Arbeit für HPE aber auch aus eigener Betroffenheit durch die Erkrankung eines Familienmitglieds erzählte.

„Wenn die Erkrankung nicht mit einem akuten psychotischen Schub eintritt, sondern sich mit Konzentrationsproblemen, Leistungsverfall, Traurigkeit, Antriebslosigkeit etc. einschleicht, denkt man an eine Lebenskrise, nicht aber an Krankheit. So dauert es oft Jahre bis zur Diagnose und dann weitere Jahre, bis die richtige Behandlung und das im spezifischen Fall ‚richtige‘ Medikament gefunden sind“, so Burdich weiter.

Eindringlich thematisierte sie die Schwierigkeiten, die mit der Erkrankung einhergehen. „In dieser langen Zeit bricht Stück für Stück das Leben weg: Die Ausbildung wird abgebrochen, die Freunde gehen verloren, Partnerschaft ohnehin undenkbar, totaler Rückzug aus der Gesellschaft, Isolation bis hin zu Problemen bei der Bewältigung alltäglicher Dinge. Und wenn man als Erkrankter nach Jahren endlich wieder ein ‚normales‘ Leben führen könnte, hat man nichts vorzuweisen, was in unserer Gesellschaft zählt: keine Ausbildung, keinen Job, kein Geld und leider auch kaum eine reale Chance, wieder Fuß zu fassen.“

Zum Kampf gegen die Erkrankung komme also der schmerzliche Prozess der Schicksalsverarbeitung hinzu, die Erkenntnis, dass man sich von vielem verabschieden muss, was einmal war, und dass es wohl auch nicht mehr so werden wird, wie es einmal war.

Burdich betonte, dass auch für Angehörige die emotionalen Belastungen vielfältig und intensiv seien. Das Leben mit Schizophrenie bedeute einen Verlust von Kontinuität, Stabilität, Verlässlichkeit und Planbarkeit. Burdich: „Es ist ein Leben in konstanter Anspannung, dass die nächste kranke Phase bald kommen könnte, ein Wechselbad zwischen der Hoffnung auf die Rückkehr der Normalität und Enttäuschungen, ein Leben voller Hilflosigkeit, Verzweiflung und der Sorge: Was wird sein, wenn ich nicht mehr bin? Manchmal möchte ich mich auflösen, weit weg laufen, ich kann einfach nicht mehr.“

Betreuung Erkrankter – Herausforderungen für Angehörige
Für Angehörige und Betroffene ist es daher wichtig, aus der Entmutigung herauszufinden und Unterstützung bei Vereinen wie HPE oder pro mente zu suchen. Denn dort trifft man Menschen mit den gleichen Problemen und schöpft aus dem Erfahrungsaustausch neue Perspektiven, Kraft, Selbstbewusstsein und Hoffnung. Dies bedeutet Trost und verbessert die Fähigkeit zu einem gesundheitsfördernden Umgang mit der Erkrankung.

Familienangehörige sind vielfach die einzigen verbliebenen Bezugspersonen; auf ihnen ruht die Hauptlast der extramuralen Betreuung – 365 Tage im Jahr – über Jahre hinweg. Eine große Belastung entsteht vor allem durch die Lücken zwischen den Versorgungssystemen. Erkrankte sind z. B. nach einem stationären Aufenthalt oft nicht „gesund genug“, um selbst Hilfe zu suchen, dadurch reißen Therapie und Betreuung wieder ab.

Ganz schwierig ist es mit Patienten, die grundsätzlich die Behandlung verweigern, da es dann immer wieder zu psychotischen Schüben kommt. Hier bedürfe es dringend der Hilfe von außen. Oftmals könnte eine Krise schon durch ein Gespräch mit einer Vertrauensperson, die zum Patienten nach Hause kommt, abgefedert werden. „Hierzulande muss aber eine Krisenintervention eingeleitet, Rettung und Polizei gerufen werden, denn eine Behandlung gegen den Willen des Patienten ist nur bei akuter Fremd- oder Selbstgefährdung möglich. Ein enorm schwieriger Schritt für Angehörige.“

Vorurteile und Stigmatisierung
Auch Burdich kritisierte, dass sich zum Leid auch noch Vorurteile und mangelndes Verständnis der Gesellschaft hinzugesellen. Der Grund dafür: fehlendes Detailwissen über die psychische Erkrankung und dadurch Vorurteile und mangelndes Verständnis der Gesellschaft.

Burdich forderte daher eine umfassende Unterstützung in allen Lebensbereichen: Verstärkte Maßnahmen zur Früherkennung, umfassende Information aller Betroffenen, Einbindung der Angehörigen als Partner und Co-Betroffene, Verbesserung der psychosozialen Betreuung durch eine wirklich patientenorientierte, auf den individuellen Bedarf des Patienten abgestimmte und lückenlose medizinische wie psychosoziale Begleitung, im Bedarfsfall mit aufsuchender Betreuung zu Hause sowie bessere Chancen der Erkrankten auf eine Rückkehr ins Leben (Ausbildung, Beruf) und eine soziale Absicherung, die ein Mindestmaß an Menschenwürde gewährleistet.

V.l.n.r. Fleischhacker, Burdich, Psota
V.l.n.r. Fleischhacker, Burdich, Psota

Zum Schluss appellierte sie an die VertreterInnen der Medien: „Vorbehalte und Ängste der Bevölkerung ausräumen, kann man nicht von heute auf morgen; es ist ein sehr langwieriger und mühsamer Prozess. Die Medien spielen in diesem Zusammenhang eine enorm wichtige Rolle! Es liegt in hohem Maße in Ihrer Hand, wie sich die Einstellung unserer Gesellschaft zu psychischer Erkrankung verändert. Eine psychische Erkrankung kann jeden von uns treffen. Ich appelliere an alle, diesen vom Schicksal so hart getroffenen Menschen zu helfen, ein Stück des Leids abzubauen und ein Stück des Lebens zurückzugewinnen.“

Lundbeck Presseforum Psychiatrie

Das Lundbeck Presseforum Psychiatrie wendet sich an JournalistInnen der Fach- und Publikumspresse. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe werden relevante Themen aus dem Bereich psychischer Erkrankungen aufgegriffen und umfassend beleuchtet. Lundbeck ist ein dänischer Pharmakonzern, der sich auf das Gebiet der Psychiatrie spezialisiert hat.

Texte und Fotos zur Veranstaltung zum Download:

Pressetext - Leben mit Schizophrenie
Summary Irene Burdich
Summary Univ.-Prof. Dr. W. Wolfgang Fleischhacker
Summary Prim. Dr. Georg Psota
Curricula Vitae

Alle Texte und 4 Fotos als Zip-File

Kontakt für Journalisten-Rückfragen

Barbara Urban und Mag. Harald Schenk,
Urban & Schenk medical media consulting

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