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      Update Suizidforschung
Über die Komplexität der Suizidalität in Forschung, Behandlung und Berichterstattung
 
       
 
 
 

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Ein Suizid ist immer mit enormem Leid verbunden. Der oder die Betroffene sieht keinen anderen Ausweg mehr, sein bzw. ihr Leid zu beenden, als sich das Leben zu nehmen. Und jeder Suizid bringt neues Leid: Familie, FreundInnen, Bekannte und ArbeitskollegInnen bleiben geschockt, rat- und hilflos zurück. Im Rahmen des 4. Lundbeck Presseforums Psychiatrie gingen Experten der Komplexität der Suizidalität in Forschung, Behandlung und Berichterstattung auf den Grund und versuchten Wege sowie Strategien aufzuzeigen, wie man Gefährdeten helfen und die traurige Opferbilanz senken könnte.

Suizid in Österreich

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Nestor Kapusta, Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, MedUni Wien
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Nestor Kapusta, Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, MedUni Wien

„Die jährliche Anzahl der Suizide ist in Österreich seit 1987 rückläufig, dennoch versterben weiterhin nahezu gleich viele Menschen durch Suizid wie durch Brustkrebs – 2012 waren es 1.275 Menschen. Während wir noch vor 20 Jahren zu den Ländern mit den höchsten Suizidraten zählten, liegt Österreich nun durch diesen Rückgang im Mittelfeld“, so Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Nestor Kapusta von der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, MedUni Wien. Seit Ende der 1980er-Jahre kam es in vielen Ländern zu einer Reduktion der Suizidmortalität, die von einer deutlichen Veränderung im psychosozialen System begleitet war. Kapusta: „Die gesellschaftliche Aufklärung über psychische Erkrankungen und die Akzeptanz von ambulanten und stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsangeboten steigt stetig und dies obwohl manche Behandlungen selbst zu bezahlende Leistungen darstellen und für sozial unterprivilegierte Menschen schwerer zugänglich sind.“

Es bestehen in Österreich große regionale Unterschiede in der Suizidmortalität. Steiermark und Kärnten haben trotz beträchtlicher Rückgänge weiterhin die höchsten Suizidraten, insbesondere einige Bezirke in der Steiermark erreichen Werte, die mehr als doppelt so hoch sind wie in anderen Regionen.

Männer haben ein 3-fach höheres Suizidrisiko als Frauen, die Gruppe der über 65-jährigen weise ein etwa 5-fach höheres Suizidrisiko als junge Menschen auf, so Kapusta. „Bei Männern bis zum 40. Lebensjahr ist Suizid sogar die zweithäufigste Todesursache“, so Univ.-Prof. Dr. Christian Haring, Österreichische Gesellschaft für Suizidprävention und Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie B im Landeskrankenhaus Hall in Tirol.

Depression  – lebensbedrohende Erkrankung

Univ.-Prof. Dr. Christian Haring, Österreichische Gesellschaft für Suizidprävention und Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie B im Landeskrankenhaus Hall in Tirol
Univ.-Prof. Dr. Christian Haring, Österreichische Gesellschaft für Suizidprävention und Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie B im Landeskrankenhaus Hall in Tirol

Die Ursachen für Suizide sind vielfältig und reichen von psychischen über kulturelle bis hin zu sozialen Faktoren. All diese Faktoren sind auch eng miteinander verbunden. „Die Gefahr, an Suizid zu versterben, trifft allerdings nicht alle Menschen in gleicher Weise. Besonders gefährdet sind Menschen, die an einer psychiatrischen Erkrankung leiden; hier wiederum besonders – da auch zahlenmäßig am häufigsten – jene Patienten und Patientinnen, die unter einer Depression leiden“, so Haring. Bei 70-90% aller Suizide ist eine psychische Erkrankung die Ursache, in den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine depressive Erkrankung. „Depressive Menschen leiden – wie auch KrebspatientInnen – unter einer potenziell tödlichen Erkrankung, und somit ist das allererste Ziel der Depressionsbehandlung die Lebenserhaltung.“ Dieser wichtige Punkt scheint, so Haring, auf allen Ebenen, von den ÄrztInnen bis zu den PatientInnen, nicht ausreichend wahrgenommen zu werden. „Wie bei einer Krebserkrankungen ist eine frühe Diagnose und in weiterer Folge eine frühzeitig erfolgende Therapie von höchster, lebenserhaltender Bedeutung.“

PatientInnen, die gegen Depression behandelt werden, so Haring weiter, bedürfen eines komplexen, individualisierten Therapieprogramms. Alle Studien weisen daraufhin, dass die Kombination von Pharmakotherapie und Psychotherapie der alleinigen Pharmakotherapie oder alleinigen Psychotherapie überlegen ist. Die PatientInnen seien aber eingehend über die Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie zu informieren, das Management von Nebenwirkungen sei entscheidend, da diese oft zu Therapieabbrüchen führen. Wichtig sei auch, so Haring, die PatientInnen bei der Therapieauswahl einzubinden. „Durch eine eingehende Information über Wirkungen und Nebenwirkungen und die Mitbestimmung bei der Therapieauswahl steigt die Adherence (Anm.: die Einhaltung von gemeinsam mit dem Arzt/der Ärztin vereinbarten Therapiezielen) deutlich an.“

Außerdem haben die Behandlungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren eine deutliche Entwicklung hinsichtlich Verträglichkeit und Wirksamkeit erlebt, so Kapusta. „Die vielfach in der Bevölkerung bestehenden Vorbehalte gegenüber medikamentöser Behandlung, wie z. B. mittels Antidepressiva, sind daher großteils unbegründet und stellen ein unnötiges Hemmnis der erfolgreichen Behandlung psychischer Erkrankungen und somit einer effektiven Suizidprävention dar. Hier ist ein Umdenken dringend notwendig und eine verstärkte Aufklärung von ärztlicher Seite nötig.“

Umgang mit suizidalen PatientInnen

Suizidale Menschen müssen auf ihre Suizidalität angesprochen werden, so Haring; die Phantasie, dass dadurch erst Suizide ausgelöst werden könnten, sei falsch. Besonders gefährdet seien Menschen, die schon klare Vorstellungen über einen Suizid haben und bei denen sich diese Suizidgedanken aufdrängen. Haring: „In diesen Fällen ist höchste Vorsicht geboten. Ziel eines solchen Gespräches muss sein, die Betroffenen zu überzeugen, professionelle Hilfe anzunehmen. Im Idealfall kennt man bereits einen geeigneten Experten und begleitet den Betroffenen dorthin.“

Eine wichtige Rolle spiele auch das Nationale Suizidpräventionsprogramm (SUPRA) des Gesundheitsministeriums, das zehn wichtige Präventionsmaßnahmen vorsieht. Zu den notwendigen Maßnahmen zählen in erster Linie die Schulung von Gatekeepern in der Erkennung von Suizidalität und psychischen Erkrankungen und das Verfügbarmachen von psychosozialen Behandlungsangeboten.

Die Rolle der Medien bei der Suizidprävention

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Niederkrotenthaler, Institut für Sozialmedizin, MedUni Wien
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Niederkrotenthaler, Institut für Sozialmedizin, MedUni Wien

„Die Medien leisten einen essenziellen Beitrag in der Suizidprävention. Einerseits, indem sie durch verantwortungsvolle Berichterstattung zur Verhütung von Folgesuiziden beitragen, andererseits, indem sie die Bevölkerung über Suizidalität und Bewältigungsmöglichkeiten aufklären und einen Beitrag zur Entstigmatisierung von Suizidgedanken, psychischen Erkrankungen sowie deren Behandlung leisten“, so Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Niederkrotenthaler, Institut für Sozialmedizin, MedUni Wien. Auf Basis von mehr als 100 vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen sei es mittlerweile erwiesen, dass sensationsträchtige Formen der medialen Berichterstattung über Suizide weitere Suizide auslösen. Dieser Effekt wird auch als „Werther-Effekt“ bezeichnet. „Die Gefahr von Folgesuiziden ist dabei besonders erhöht, wenn biografische Ähnlichkeiten zwischen dem berichteten Suizid und dem Publikum bestehen und wenn über Prominentensuizide wiederholt berichtet wird.“

Berichte über die Bewältigungsmöglichkeiten einer suizidalen Krise und Behandlungserfolge wiederum können Suizide verhüten helfen; man spricht vom sogenannten Papageno-Effekt. Niederkrotenthaler: „Da es im Laufe von suizidalen Krisen immer wieder zu einem Abwägen lebenserhaltender und suizidaler Impulse kommt, kann ein Bericht über positive Bewältigung/Auswege aus der Krise zum richtigen Zeitpunkt die lebenserhaltenden Impulse soweit stärken, dass essenzielle Schritte zur Bewältigung der Krise gesetzt werden.“ Empfehlungen für JournalistInnen zur „richtigen“ Berichterstattung über Suizide gibt übrigens der Österreichische Medienleitfaden zur Berichterstattung über Suizide unter www.kriseninterventionszentrum.at.

Online-Medien

Auch die Rolle der Online-Medien wurde von Niederkrotenthaler beleuchtet. Untersuchungen zeigen die zwiespältige Rolle des Internets, denn die Qualität der Informationen variiert stark, und neben präventiven Angeboten gibt es leider auch viele Webseiten, die Suizid als Ausweg „bewerben“. Daher dürfen die negativen Aspekte des Internets hier keinesfalls verharmlost werden. Auf der anderen Seite können durch das Internet auch Leute Hilfe finden, die ansonsten keinen Zugang zu Hilfsressourcen haben. Gerade von sogenannten Suizidforen, in denen sich Menschen über psychische Probleme und Suizidalität austauschen, kann eine große Gefahr ausgehen, und sie zeigen auch diese Zwiespältigkeit besonders gut. Niederkrotenthaler: „In mehreren Einzelfallstudien wurde berichtet, dass Online-Foren über Suizid suizidales Verhalten auslösen können, wenn darin Suizidmethoden beworben werden oder zum Suizid aufgefordert wird. Auf der anderen Seite konnten mehrere Studien auch zeigen, dass sich die meisten UserInnen konstruktiv verhalten und gegenseitig versuchen, einander bestmöglich zu unterstützen. Die soziale Unterstützung in diesen Foren wird von den Usern als genauso stark und wichtig empfunden wie jene von Freunden im realen Leben.“

Der Weg in ein neues Leben

„Suizidprävention ist enorm wichtig. Das weiß ich aus eigener, leidvoller Erfahrung. Ich habe zwei Suizidversuche hinter mir, und ich bin froh, dass ich noch am Leben bin! Auch wenn es auch heute noch oft schwer ist, es gibt so viele schöne Momente, die ich keinesfalls missen möchte“, so Johann Bauer, der im Rahmen des Lundbeck Presseforums Psychiatrie über seine beiden Suizidversuche und seinen erfolgreichen Weg aus Krisen und Krankheit berichtete. „Durch die Einnahme von Medikamenten und Besuchen bei meinem Facharzt für Psychiatrie und meiner Psychotherapeutin habe ich nach vielen Tiefs und Hochs den Weg zurück ins Leben geschafft. Auch wenn dieser Weg schwierig war, denn ich musste wieder von vorne beginnen und Vertrauen in die Menschen und ins Leben aufbauen.“ Er hat seinem Leben „Struktur gegeben“, wie er sagt, und gibt sein Wissen nun im Rahmen der „Hilfe zur Selbsthilfe für seelische Gesundheit“ in Niederösterreich (www.hssg.at) weiter. „Es ist wichtig, dass die Menschen wissen, dass es Hilfe gibt! Die Unterstützung durch den Psychosozialen Dienst und der Besuch von Selbsthilfegruppen ist und war für mich enorm wichtig, denn man kann sich unter Betroffenen, die einen verstehen, aussprechen. Mein heutiges Engagement bei der Selbsthilfe ist auch für mich sehr wichtig, denn wenn ich anderen helfen kann, helfe ich mir selbst.“

Lundbeck Presseforum Psychiatrie

Das Lundbeck Presseforum Psychiatrie wendet sich an JournalistInnen der Fach- und Publikumspresse. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe werden relevante Themen aus dem Bereich psychischer Erkrankungen aufgegriffen und umfassend beleuchtet. Lundbeck ist ein dänischer Pharmakonzern, der sich auf das Gebiet der Psychiatrie spezialisiert hat.

Texte und Fotos zur Veranstaltung zum Download:

Pressetext lang - Update Suizidforschung
Pressetext kurz - Update Suizidforschung
Medienberichterstattung über Suizid kurz gefasst

Summary Johann Bauer kurz
Summary Johann Bauer lang
Summary Univ.-Prof. Dr. Christian Haring
Summary Prof.-Priv.-Doz. Dr. Nestor Kapusta
Summary Prof. Priv.-Doz.-Dr.-Thomas-Niederkrotenthaler

CV Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Haring
CV Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Niederkrotenthaler

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Kontakt für Journalisten-Rückfragen

Barbara Urban und Mag. Harald Schenk,
Urban & Schenk medical media consulting

Telefonisch:
0664/41 69 4 59 (Urban)
0664/160 75 99 (Schenk)

E-Mail:
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